Clickertraining, Hund und Wissenschaft: Was sagen Studien denn nun aus?

Aktuell beschäftigt sich die Trainer:innenwelt mit der Frage, ob Clickertraining, also Training unter Nutzung eines positiv konditionierten sekundären Verstärkers, denn nun effizienter ist als Training „nur“ über positive primäre Verstärker, ohne diesen Zwischenschritt. 

Grundlage ist die aktuelle Studie von Rachel J. Gilchrist​, Lisa M. Gunter, Samantha F. Anderson, Clive D.L. Wynne 2021: The click is not the trick: the efficacy of clickers and other reinforcement methods in training naïve dogs to perform new tasks. Veröffentlicht im Februar 2021.

Und tatsächlich: Aktuell wurden dort – wie auch in 4 vorher getätigten Studien (Links s. weiter unten) – keine wissenschaftlichen Belege gefunden, dass dies der Fall ist. 

Also ist Clickertraining gar nicht so effizient, wie alle behaupten? Oder ist es eher so, dass die Vorzüge dieses Hilfsmittel in komplexen Lernsituationen liegen, die sich mit der gewählten Methodik nicht erfassen lassen?

Tatsächlich wurden in den bisher zum Thema veröffentlichen Studien nur Situationen untersucht, in denen der primäre Verstärker ohne zeitlichen Verzug gegeben werden konnte. Die Ergebnisse sind daher wenig überraschend. Wie unser Mitglied Gerrit Stephan (Biologe, Dozent und Hundetrainer) es stark vereinfacht ausdrückt: 

„Dies ist die 4. oder 5. Studie, die beweist, dass ein Verlängerungskabel keine Vorteile bietet, wenn man direkt neben der Steckdose bügelt.“ 

In der Zusammenfassung erläutern die Autoren der Studie dieses Problem und schränken die Aussagekraft ihrer Ergebnisse ausdrücklich ein:

„Offensichtlich haben wir in den vorliegenden Experimenten nur einen kleinen Teil der Möglichkeiten untersucht, wie Clicker im Hundetraining verwendet werden könnten. Mit Clicker können sicherlich weitaus komplexere Verhaltensweisen trainiert werden, als hier untersucht wurde […], aber bisher gibt es keine Beweise dafür, dass solche Verhaltensweisen nicht genauso effektiv trainiert werden können wie mit jeder anderen Verstärkungsmethode.

Zukünftige Untersuchungen sollten erforschen, wie mit dem Clicker trainierte Hunde bei verschiedenen Aufgaben arbeiten, mit besonderem Fokus auf die Rolle der Verzögerung bei der sekundären und primären Verstärkung und wie das Clickertraining in einer angewandten Umgebung funktioniert. […]“ 

Sprich: Situationen, in denen primäre Verstärker nicht zeitnah zum Verhalten angeboten werden können, sind bisher gar nicht untersucht worden. Die Fehleranfälligkeit der direkten Belohnung, die sich in einer komplexen Lernsituation schnell ergibt, kommt in dieser stark vereinfachten Versuchsanordnung nicht vor. 

Ob Clickertraining in anderen Situationen nicht doch effizienter sein kann, ist also noch offen. Die Frage, ob es nun effizienter ist oder nicht, kann also weder mit einem klaren „Ja!“ – noch mit einem klaren „Nein!“ beantwortet werden. 

Der Clicker – bzw. das Clickertraining – an sich ist sowieso nur EIN Werkzeug von Vielen des Trainings auf Basis positiver Verstärkung.

Als Konsens können wir aber festhalten: 

Ob mit oder ohne Clicker - auch diese Studie liefert eindrucksvolle Belege für die Effizienz von Training auf Basis positiver Verstärkung. #PositiveRocks!

Wer sich noch weiter mit dem Thema beschäftigen möchte – hier finden sich die Links zu den anderen angesprochenen Studien:

Clicker increases resistance to extinction but does not decrease training time of a simple operant task in domestic dogs (Canis familiaris)

Shawn M. Smith a, Ellen S. Davis b,

https://cpb-us-w2.wpmucdn.com/about.illinoisstate.edu/dist/6/45/files/2019/10/smith-Davis-2008-clicker-training-increases-resist-to-ext-but-not-decrease-training-time-of-simple-operant-task-in-dogs.pdf

Can clicker training facilitate conditioning in dogs? Cinzia Chiandettia, Silvia Avellaa, Erica Fongaroa, Francesco Cerrib

https://cpb-us-w2.wpmucdn.com/about.illinoisstate.edu/dist/6/45/files/2019/10/Chiandetti-Avella-Fongero-Cerri-2016-Can-Clicker-training-facilitate-cond-in-dogs.pdf

Comparing trainers’ reports of clicker use to the use of clickers in applied research studies: methodological differences may explain conflicting results

 Lynna C. Feng,  Tiffani J. Howell,  Pauleen C. Bennett

https://pdfs.semanticscholar.org/34a8/a98fb02ebae19558c7438fe374fdd2c8fefa.pdf?_ga=2.86291288.1932151014.1631272026-424342074.1631272026

Zusätzlich hinweisen möchten wir auf diesen Artikel, der die Schwierigkeiten und Probleme der Forschung rund um das Clickertraining gut zusammenfasst:

Function matters: a review of terminological differences in applied and basic clicker training research, Nicole R. Dorey and David J. Cox, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6151118/

Auszug:

„Grundlagen- und angewandte Forschung zum Clickertraining ist in mehreren Domänen erforderlich. Grundlagenforschung ist erforderlich, um die Zusammenhänge zu ermitteln, in denen das Clickertraining als Paket und der Klick als Komponente die Trainingsergebnisse und die Haltung von Tieren in einer kontrollierten Umgebung verbessert. Diese Forschung wurde nicht durchgeführt. 

Grundlagenforscher könnten auch untersuchen, wie sich die in Trainingskontexten übliche Verzögerung der Futterlieferung auf die Funktion des Klicks auswirkt. Untersuchungen zur Verzögerung zwischen dem Verhalten und dem Klick, sowie zwischen dem Klick und dem Futter wären für Tiertrainer enorm wertvoll. 

Grundlagen- und angewandte Forschung zum Clickertraining würden die derzeitigen Tiertrainingsmethoden und das allgemeine Wohlergehen dieser Tiere verbessern. Für einen sinnvollen Austausch zwischen Forschern und Clickertrainern ist es jedoch notwendig, dass sich beide Gruppen der Unterschiede in der Verwendung von Begriffen zur Beschreibung des Clickertrainingsprozesses bewusst sind. Wir hoffen, dass dieses Papier ein erster Schritt in Richtung einer stärkeren Zusammenarbeit ist und die Tür zu dem enormen Forschungsbedarf auf diesem Gebiet öffnet.“

Autor:innen: Gerrit Stephan Couch Caniden & Kirsten Berger dogs-track.de